Anämie (Blutarmut) bei Kindern

Anämie (Blutarmut) bei Kindern

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Was ist eine Anämie (Blutarmut)?

Definition

Unter einer Anämie (Blutarmut) versteht man einen zu geringen Anteil von roten Blutkörperchen (Erythrozyten) am Blutvolumen bzw. eine verminderte Hämoglobin-Konzentration im Blut. Hämoglobin ist der eisenhaltige rote Blutfarbstoff in den roten Blutkörperchen, der im menschlichen Körper für den Sauerstofftransport verantwortlich ist. Der Farbstoff bindet Sauerstoff in der Lunge und transportiert ihn über das Blut zu den restlichen Zellen des Körpers. Ist er nicht in ausreichendem Ausmaß vorhanden, steht Geweben und Organen nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung, was mit typischen Symptomen einhergeht.

Die Menge des vorhandenen Hämoglobins bzw. die Menge an roten Blutkörperchen kann anhand verschiedener Laborparameter beurteilt werden. Dazu gehören der Hämoglobinwert, die Erythrozytenzahl sowie der sog. Hämatokrit (Anteil der Zellen am Blutvolumen). Für Kinder und Jugendliche gelten andere Normwerte als für Erwachsene.

Symptome

Besonders bei Kindern verlaufen Anämien häufig symptomlos und werden nur zufällig im Rahmen einer Blutuntersuchung erkannt. Eine Blutarmut kann sich aber auch durch eine Reihe von Symptomen bemerkbar machen:

  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Unwohlsein
  • Blässe
  • Appetitlosigkeit, Trinkprobleme
  • Herzrasen
  • Kurzatmigkeit
  • Verminderte Spielaktivität
  • Wachstumsverzögerungen

Ursachen

Eine Blutarmut beim Kind kann eine Vielzahl von Ursachen haben, deren Häufung sich je nach Altersgruppe unterscheidet. Im Folgenden werden die häufigsten Ursachen der jeweiligen Altersgruppen aufgeführt.

Neugeborene unter 3 Monaten

Physiologische Anämie

Nach der Geburt werden die Körperzellen aufgrund der einsetzenden Atmung des Neugeborenen plötzlich mit einer ungewöhnlich hohen Menge an Sauerstoff versorgt. Dies führt über einen negativen Rückkopplungsmechanismus dazu, dass vermindert neue rote Blutkörperchen produziert werden. Im Alter von 6 bis 9 Wochen kann es dadurch zu einer vorübergehenden Blutarmut kommen.

Blutverlust

Ursachen für Blutverluste im Neugeborenenalter können Blutungen und sog. Transfusionssyndrome sein. Dabei kommt es zu einem Übertritt kindlicher roter Blutkörperchen in den Kreislauf der Mutter oder in den Kreislauf eines Geschwisterkindes im Rahmen einer Zwillingsschwangerschaft.

Hämolyse

Unter einer Hämolyse versteht man die Zerstörung bzw. Auflösung roter Blutkörperchen. Eine Blutarmut, die in Folge einer Hämolyse entsteht, wird als hämolytische Anämie bezeichnet und kann aufgrund des vermehrten Anfalls von Blutabbauprodukten mit einer Gelbfärbung der Haut (Ikterus) einhergehen. Ein möglicher Auslöser einer Hämolyse ist eine Blutgruppeninkompatibilität (z. B. Rhesus-Inkompatibilität oder AB0-Inkompatibilität) zwischen Mutter und Kind. Dabei bildet die Mutter Antikörper gegen die roten Blutzellen des Kindes, die zu deren Untergang führen und so eine Blutarmut verursachen.

Zudem gibt es angeborene Erkrankungen, die zu einer hämolytischen Anämie führen. Dazu gehören etwa die Sphärozytose und ein G6PD-Mangel (siehe unten).

Infektionen

Auch bestimmte Infektionskrankheiten des Neugeborenen, die während der Schwangerschaft bzw. um die Geburt herum auftreten, können eine Blutarmut zur Folge haben. Dazu gehören etwa Infektionen mit Parvovirus B19, HIV, Syphilis, Toxoplasma gondii, Röteln, Zytomegalie, Herpes simplex und die Entwicklung einer Sepsis (Blutvergiftung).

Seltene Erkrankungen der Erythrozytenbildung

Hierzu gehören das Diamond-Blackfan-Syndrom und die Fanconi-Anämie.

Frühgeborene

Frühgeborene sind besonders häufig von Anämie betroffen. Sie haben häufig niedrigere Hämoglobinwerte und Erythrozytenzahlen, eine verkürzte Lebensdauer der vorhandenen Erythrozyten und eine beeinträchtigte Erythrozytenproduktion.

Säuglinge und Kleinkinder

Eisenmangelanämie bei Kindern

Eisen ist ein zentraler Bestandteil des Hämoglobin-Moleküls. Fehlt Eisen im Körper, kann nicht genügend Hämoglobin gebildet werden und die Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes nimmt ab. Kinder mit einer Eisenmangelanämie sind typischerweise zwischen 6 Monaten und 3 Jahre alt. Eine Eisenmangelanämie vor dem 6. Lebensmonat ist bei reif geborenen Babys unwahrscheinlich.

Infektionen

Im Rahmen von bakteriellen und viralen Infektionen kann es zu einem veränderten Eisenstoffwechsel und einem Rückgang der Produktion von roten Blutkörperchen kommen, was eine Anämie zur Folge haben kann.

Blutverlust

Blutverlust können etwa im Rahmen von schweren Verletzungen oder Blutungen im Magen-Darm-Trakt auftreten.

Thalassämie

Bei Thalassämien handelt es sich um genetisch bedingte Erkrankungen, bei denen es zu einer Störung der Hämoglobinbildung und folglich einem Mangel an rotem Blutfarbstoff kommt. Eine Häufung der Erkrankung kann bei Menschen aus dem Mittelmeerraum, dem Nahen Osten und Teilen Afrikas und Asiens beobachtete werden.  Die Ausprägung der Erkrankung variiert stark und reicht von nicht symptomatischen Genträger*innen bis zu Patient*innen mit schweren Anämien.

Sichelzellanämie

Die Sichelzellanämie ist eine erbliche Erkrankung, bei der es zur Bildung von fehlerhaften Hämoglobin-Molekülen kommt, die zu einer Verformung der roten Blutkörperchen führen (Sichelform). Es kommt zu einer hämolytischen Anämie, da die atypischen Erythrozyten vermehrt abgebaut werde. Die Erkrankung ist im Äquatorialgürtel Afrikas besonders verbreitet.

Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel (G6PD-Mangel)

Der G6PD-Mangel ist ein angeborener Enzymdefekt der roten Blutkörperchen. Der Enzymmangel macht Erythrozyten empfindlicher gegenüber äußeren Faktoren, was zu unter bestimmten Bedingungen zu ihrem frühzeitigen Verfall führt. Die Erkrankung kommt gehäuft in Afrika, Asien und den Mittelmeerländern vor.

Membrandefekte der Erythrozyten

Im Rahmen der beiden Erkrankungen Sphärozytose (Kugelzellanämie) und Elliptozytose kommt es durch einen Gendefekt zu einer Verformung der roten Blutkörpechen. Die fehlgeformten Erythrozyten werden verfrüht abgebaut, was sich in einer hämolytischen Anämie äußern kann.

Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)

Das HUS ist eine seltene, schwere Erkrankung, die in Folge einer Infektion mit Shigatoxin bildenden E.-coli-Bakterien auftreten kann. Typischerweise kommt es gleichzeitig zu einer akuten Nierenfunktionsstörung, einer hämolytischen Anämie und einem Mangel an Blutplättchen. Ursächlich für die Symptome ist eine Schädigung der Gefäßinnenwände durch Toxine.

Transitorische Erythroblastopenie

Die transitorische Erythroblastopenie beschreibt einen vorübergehenden Mangel an Erythrozyten-Vorläuferzellen in Folge einer Immunreaktion. Es kommt zu einem Mangel an reifen roten Blutkörperchen, der sich üblicherweise innerhalb weniger Wochen normalisiert. Häufig gehen der Erkrankung die Aufnahme von Giften oder eine Viruserkrankung voraus.

Vitamin-B12- und Folsäure-Mangel

Vitamin B12 und Folsäure spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung von roten Blutkörperchen. Mangelt es an den Vitaminen, kann es folglich zu einer Blutarmut kommen. Ein Vitamin-B12-Mangel kann u. a. durch eine rein vegane Ernährungsweise bedingt sein.

Seltene Ursachen

Seltene Ursachen einer Anämie im Säuglings- und Kleinkindalter sind Leukämien, Erkrankungen des Knochenmarks, Sepsis und Schilddrüsenunterfunktion.

Spätere Kindheit und Jugendzeit

Eisenmangelanämie

In der Pubertät kommt es durch einen Wachstumsschub zu einem erhöhten Bedarf an Eisen. Bei Mädchen spielt außerdem ein erhöhter Eisenverlust bei Einsetzen der Menstruationsblutung eine Rolle.

Rheumatische Erkrankungen

Rheumatische Erkrankungen können bei starker Krankheitsaktivität zu meist leichten und asymptomatischen Anämien führen.

Nierenfunktionsstörung

In den Nieren wird ein Großteil des Hormons Erythropoetin gebildet, das die Blutbildung fördert. Bei schweren Erkrankungen der Niere wird nicht mehr ausreichen Erythropoetin gebildet, was eine Blutarmut zur Folge haben kann. Zudem kann es im Rahmen einer möglicherweise notwendigen Dialyse zu Blutverlusten kommen.

Blutverlust

Zu Blutverlusten kann es etwa im Rahme von übermäßig starken Menstruationsblutung, Magen-Darm-Blutungen oder wiederkehrendem, starkem Nasenbluten kommen.

Auch bei älteren Kindern können entzündliche Erkrankungen, Thalassämien, Sichelzellanämie, G6PD-Mangel und Membrandefekte der Erythrozyten einer Rolle bei der Entstehung von Anämien spielen. Selten kann eine Leukämie die Ursache einer Anämie sein.

Häufigkeit

Da Anämien bei Kindern häufig symptomlos verlaufen und daher erst spät oder gar nicht erkannt werden, ist es schwierig, genaue Angaben zur Häufigkeit zu machen. Die häufigsten Anämieformen sind die Eisenmangel- und Infektanämie.

Untersuchungen

Die Diagnose einer Anämie wird meist zufällig nach einer auffälligen Blutuntersuchung gestellt. Um die Ursache der Blutarmut zu identifizieren, wird in der Hausarztpraxis eine genau Anamnese erhoben. Hierbei werden insbesondere Ernährungsgewohnheiten, mögliche Begleitsymptome und bekannte Anämien in der Familie erfragt. Das Kind wird außerdem körperlich untersucht, wobei z. B. eine vergrößerte Milz, eine Gelbfärbung der Haut oder eine Lymphknotenschwellung auffallen kann. Außerdem werden Größe und Gewicht kontrolliert, um mögliche Wachstumsverzögerungen zu erkennen. Zur Ursachenfindung können zudem die Laborparameter der Blutuntersuchung herangezogen werden. Sie weisen in den meisten Fällen bereits auf eine bestimmte Ursache hin.

Unter gewissen Umständen können weiterführende Untersuchung bei Spezialist*innen sinnvoll sein, insbesondere wenn der Anämie eine genetische Erkrankung oder eine Erkrankung des Knochenmarks zugrunde liegt. Neben genetischen Untersuchungen kann bei Verdacht auf eine Leukämie eine Knochenmarksuntersuchung durchgeführt werden.

Leichte Eisenmangelanämien und Infektanämien können in der Hausarztpraxis behandelt werden. Bei schweren Anämien, akutem Blutverlust oder einer zugrunde liegenden bösartigen Erkrankung ist eine Einweisung in eine Klinik angezeigt.

Behandlung

Die Therapie einer Anämie besteht in der Regel in der Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung. Weitere Informationen hierzu finden Sie in den Artikeln der jeweiligen Erkrankungen.

Bei Eisen- oder Vitaminmangelanämien kommen Nahrungsergänzungsmittel zum Einsatz, die den entsprechenden Mangel beheben sollen.

Autorin

  • Lisa Huber, Cand. med., München

Quellen

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Anämie bei Kindern. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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