Antiphospholipid-Syndrom (APS)
Antiphospholipid-Syndrom (APS)
Dieser Artikel wird Ihnen bereitgestellt von Deximed. Mehr erfahren
Was ist das Antiphospholipid-Syndrom (APS)?
Definition
Normalerweise heften sich Antikörper an Viren und Bakterien und bekämpfen sie. Manchmal produziert das Immunsystem fehlerhafte Antikörper, die an Zellen des eigenen Körpers binden. Dann entsteht eine Autoimmunerkrankung. Im Falle des APS führt dies zu Entzündungen und einer gesteigerten Aktivität der Blutplättchen (Thrombophilie), wodurch das Blut gerinnen kann.
Symptome
Typisch sind Gefäßverschlüsse durch Blutgerinnsel (Thrombosen). Die Gerinnsel können sich lösen und mit dem Blut in andere Körperregionen gelangen – wo sie erneut Adern verstopfen (Embolien).
Tiefe Venenthrombose (TVT)
Dies ist eine besonders häufige Folge. Beim Verschluss einer tiefen Beinvene schwillt das Bein an und schmerzt. Die Haut spannt sich, wird sehr warm und Blutgefäße zeichnen sich ab. Die verstopften Venen selbst liegen tief unter der Haut und sind nicht sichtbar.
Lungenembolie
Wenn sich ein Gerinnsel aus den tiefen Beinvenen löst, gelangt es mit dem Blutstrom zur Lunge und verstopft eine Lungenarterie. Mögliche Symptome sind Atemnot, Brustschmerz, schnelle Atmung und blutiger Auswurf. Eine Lungenembolie führt im schlimmsten Fall zum Herz-Kreislauf-Stillstand.
Schlaganfall (Thrombose/Embolie im Hirn)
Mögliche Symptome sind Lähmungen, ein Kraftverlust z. B. im Arm, Wortfindungsstörungen und eine verwaschene Sprache.
Herzinfarkt (Thrombose/Embolie der Herzkranzgefäße)
Eine Ader, die das Herz selbst versorgt, ist verstopft. Es kommt zu einem Druckgefühl und Brustschmerzen, die in den Arm oder Kiefer ausstrahlen können, Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Schwindel und Kaltschweißigkeit.
Vorübergehender einseitiger Sehverlust (Amaurosis fugax)
Grund ist eine kleine Embolie in einem Gefäß im Auge. Dabei kehrt das Sehvermögen nach kurzer Zeit zurück.
Durchblutungsstörungen im Magen-Darm-Trakt (mesenteriale Ischämie)
Die mangelnde Blutzufuhr am Darm verursacht u. a. Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen.
Thrombose der Nierenarterien oder Nierenvenen
Es kommt zu Flankenschmerzen, der Harn kann blutig sein oder die Harnproduktion bricht ein.
Schwangerschaftskomplikationen
- Frühgeburt durch schwere Präeklampsie (Bluthochdruck in der Schwangerschaft) oder Eklampsie (zusätzlich Krampfanfälle)
- Wiederholte Fehlgeburten (Frühabort)
- Tod des Fötus im Mutterleib (intrauteriner Fruchttod)
Ursachen
Das APS ist eine Autoimmunerkrankung – eine fehlgerichtete Immunreaktion gegen den eigenen Körper. Das Immunsystem produziert viele verschiedene Antikörper, also Moleküle, die normalerweise an Erreger wie Bakterien und Viren binden. Beim APS dagegen binden unterschiedliche Antikörpersorten an gesunde Zellen. Warum das Immunsystem diese Antikörper überhaupt herstellt, ist unklar.
Die fehlerhaften Antikörper heften sich an Zellen, die bestimmte Moleküle – die Phospholipide – auf ihrer Außenseite besitzen. Dazu gehören die Blutplättchen (Thrombozyten) und die Zellen in der Wand von Adern. Auch Zellen in der Hülle des Embryos (Trophoblast) tragen Phospholipide. Das Gewebe entzündet sich und die Blutplättchen werden aktiv, sodass das Blut gerinnt – wie bei einer Hautverletzung, aber innerhalb der Ader.
Das APS entsteht oft „aus dem Nichts″ (primäres APS). Manchmal entwickelt es sich nach dem Ausbruch anderer Autoimmunerkrankungen (sekundäres APS), wobei es sich dabei meist um einen systemischen Lupus erythematodes (SLE) handelt.
Risikofaktoren
Folgende Risikofaktoren sind zwar keine Ursachen, erhöhen aber die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung:
- Bestehende Autoimmunerkrankungen, in absteigender Häufigkeit
- Bei SLE beträgt die Wahrscheinlichkeit für ein sekundäres APS bis zu 50 %.
- Sjögren-Syndrom (Autoimmunerkrankung der Tränen- und Speicheldrüsen)
- rheumatoide Arthritis („Rheuma″)
- Psoriasisarthritis (Gelenkentzündung bei Schuppenflechte)
- systemische Sklerose („Sklerodermie″)
- Mischkollagenosen (Mischbild aus verschiedenen Autoimmunerkrankungen)
- Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)
- Morbus Behçet (Autoimmunerkrankung, die die Schleimhäute von Mund und Genitalien betrifft)
- Infektionserkrankungen
- Medikamente
- Phenytoin (Medikament gegen Epilepsie)
- Chlorpromazin (Medikament gegen Schizophrenie)
- Propranolol (Medikament gegen Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen)
- Amoxicillin (Antibiotikum)
- Ein erhöhtes Risiko für Thrombosen besteht bei
- Bettlägerigkeit (besonders nach einem Beinbruch)
- Einnahme oraler Kontrazeptiva („Pille″ zur Empfängnisverhütung)
- vorausgegangenen Thromboembolien.
Häufigkeit
Das Antiphospholipid-Syndrom ist eine seltene Erkrankung. Schätzungen zufolge erkrankt ungefähr 1 von 2.000 Menschen.
Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
Die Diagnose wird anhand der Krankheitsgeschichte und typischer Laborwerte gestellt. Bei den Betroffenen kommt es entweder zu
- Thrombosen und/oder Embolien oder zu
- Schwangerschaftskomplikationen.
Wichtig sind bestehende Autoimmunerkrankungen, besonders SLE. Antiphospholidpid-Antikörper kann man zwar im Blut nachweisen – aber auch viele Menschen ohne APS haben Antiphospholipid-Antikörper. Wenn Sie beschwerdefrei sind, sollte daher kein Test auf Antikörper gemacht werden. Bei Verdacht werden Sie zur genauen Blutuntersuchung an eine Praxis für Hämatologie überwiesen.
Bei Spezialist*innen
- Ein Test wird in folgenden Situationen empfohlen: Falls Sie im Alter von unter 50 Jahren einen Schlaganfall erlitten haben, sollte man nach Antikörpern suchen. Der Test ist ebenfalls angezeigt bei wiederkehrenden oder ungewöhnlichen Embolien und bei Schwangerschaftskomplikationen.
- Getestete Antikörper: Bis zu drei Antikörpersorten sind beteiligt. Sie heißen Lupusantikoagulans (LA) , aCL und anti-β2GPI.
- Ein hohes Risiko besteht, wenn Lupusantikoagulans nachgewiesen wird. Es ist ebenfalls erhöht, wenn mehrere Antikörper gefunden werden oder wenn die Werte lange erhöht bleiben.
Behandlung
Ziel der Behandlung ist es, Thrombosen zu verhindern. Akute Thrombosen und Embolien werden ebenfalls mit Medikamenten behandelt.
Medikamente
- Nach Thrombosen erhalten Sie zur Vorbeugung Gerinnungshemmer („Blutverdünner″), etwa Phenprocoumon.
- Die Wirkung misst man mit dem Wert INR. Die INR sollte nach Absprache zwischen 2,0–3,0 betragen.
- Eine Hemmung des Immunsystems hat keinen Einfluss.
- Personen, bei denen zwar ein Antiphospholipidsyndrom nachgewiesen wurde, die aber bisher weder Thromboembolien noch Schwangerschaftskomplikationen erlitten haben, wird zur Vorbeugung die Einnahme von 100 mg ASS (Acetylsalicylsäure) pro Tag empfohlen.
- Auch Betroffenen mit SLE sollten bei hohem Risiko 100 mg ASS täglich einnnehmen.
Maßnahmen gegen Schwangerschaftskomplikationen
- Bei hohem Risiko erhalten Sie ASS (Acetylsalicylsäure).
- Sie bekommen zusätzlich Heparin, wenn Sie bereits schwere Schwangerschaftskomplikationen oder Thromboembolien erlebt haben.
Autor
- Vincent Kranz, Cand. med., Hamburg
Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Antiphospholipid-Syndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
- Kemkes-Matthes B. Thrombophile Diathesen. eMedpedia, publiziert am 30.07.23. Zugriff am 07.09.23. www.springermedizin.de
- Limper M, Scirè CA, Talarico R, et al. Antiphospholipid syndrome: state of the art on clinical practice guidelines. RMD Open 2018;4:e000785. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Garcia D, Erkan D. Diagnosis and Management of the Antiphospholipid Syndrome. N Engl J Med 2019; 378: 2010-2021. doi:10.1056/NEJMra1705454 DOI
- Cohen D, Berger S, Steup-Beekman G, et al. Diagnosis and management of the antiphospholipid syndrome. Clinical review. BMJ 2010; 340: c2541. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Movva S. Antiphospholipid Syndrom. Medscape, updated July 22, 2022. Zugriff 08.09.23. emedicine.medscape.com
- Avcin C, Cimaz R, Silverman ED, et al. Pediatric antiphospholipid syndrome: clinical and immunologic features of 121 patients in an international registry. Pediatrics 2008; 122: 1100-7. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Cervera R, Piette JC, Font J, et al. Antiphospholipid syndrome: clinical and immunological manifestations and patterns of disease expression in a cohort of 1000 patients. Arthritis Rheum 2002; 46: 1019-27. PubMed
- Specker C, Fischer-Betz R, Dörner T. Antiphospholipidsyndrom. Z Rheumatol 2020; 79: 255–266. doi:10.1007/s00393-020-00759-6 DOI
- Jacobi S, Miesbach W. Diagnostik und Therapie des Antiphospholipidsyndroms. InFo Hämatologie + Onkologie 2020; 23: 21-24. doi:10.1007/s15004-020-8135-z DOI
- Willeke A, Gerdsen F, Bauersachs R, et al. Rationelle Thrombophiliediagnostik. Dtsch Arztebl 2002; 99: A2111. www.aerzteblatt.de
- Green D. Pathophysiology of Antiphospholipid Syndrome. Thromb Haemos 2022; 122: 1085-1095. doi:10.1055/a-1701-2809 DOI
- Deutsche Gesellschaft für Angiologie, Gesellschaft für Gefäßmedizin. S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie. AWMF-Leitlinie Nr. 065-002, Stand 2023. register.awmf.org
- Specker C. Antiphospholipidsyndrom. Z Rheumatol 2016; 75: 570-574. doi:10.1007/s00393-016-0153-8 DOI
- Lettau M, Schrezenmeier E, Specker C, et al. Lupus und Thrombophilie - Antiphospholipidsyndrom. Z Rheumatol 2020; 79: 332-341. doi:10.1007/s00393-020-00786-3 DOI
- Studt J. Grundlagen der Gerinnungsdiagnostik (Thrombophilieabklärung). Gynäkologische Endokrinologie 2019; 17: 129-133. www.springermedizin.de
- International Society on Thrombosis and Haemostasis. Guidance from the Scientific and Standardization Committee for lupus anticoagulant/antiphospholipid antibodies. Stand 2020. www.jthjournal.org
- European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR). Recommendations for the management of antiphospholipid syndrome in adults. Stand 2019. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Specker C, Dörner T, Schneider M. Hot Topic: Direkte orale Antikoagulanzien (DOACs) beim Antiphospholipidsyndrom? Z Rheumatol 2019; 78: 493–494. doi:10.1007/s00393-019-0657-0 DOI
- Bauersachs R, Langer F, Kalka C, et al. Treatment of the antiphospholipid syndrome with direct oral anticoagulants. Vasa 2019; 48: 483-486. leitlinien.dgk.org
- Müller C. Rote-Hand-Brief - Kein Xarelto bei Antiphospholipid-Syndrom. DAZ.online, 21.05.2019. www.deutsche-apotheker-zeitung.de
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Rote-Hand-Brief zu Eliquis®, Pradaxa®, Lixiana®/Roteas® und Xarelto®: Die Anwendung bei Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom wird nicht empfohlen. 23.05.2019 www.bfarm.de
- Pengo V, Denas G, Zoppelaro G, et al. Rivaroxaban vs warfarin in high-risk patients with antiphospholipid syndrome. Blood 2018. pmid:30002145 www.ncbi.nlm.nih.gov
- Bramham K, Hunt BJ, Germain S, et al. Pregnancy outcome in different clinical phenotypes of antiphospholipid syndrome. Lupus 2010; 19: 58-64. PubMed
- Empson M, Lassere M, Craig J, et al. Prevention of recurrent miscarriage for women with antiphospholipid antibody or lupus anticoagulant. Cochrane Database Syst Rev 2005; 2005: CD002859. doi:10.1002/14651858.CD002859.pub2 DOI
- Erton ZB, Sevim E, de Jesús GR, et al. Pregnancy outcomes in antiphospholipid antibody positive patients: prospective results from the AntiPhospholipid Syndrome Alliance for Clinical Trials and InternatiOnal Networking (APS ACTION) Clinical Database and Repository (‘Registry’). Lupus Science & Medicine.2022;9:e000633. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Dieser Artikel wird Ihnen bereitgestellt von Deximed.
Lesen Sie hier den vollständigen Originalartikel.
Die Inhalte auf team-praxis.de stellen keine Empfehlung bzw. Bewerbung der beschriebenen Methoden, Behandlungen oder Arzneimittel dar. Sie ersetzen nicht die fachliche Beratung durch eine*n Ärzt*in oder Apotheker*in und dürfen nicht als Grundlage für eine eigenständige Diagnose und Behandlung verwendet werden. Konsultieren Sie bei gesundheitlichen Fragen oder Beschwerden immer Ihre Ärztin oder Ihren Arzt!
Lesen Sie dazu mehr in unseren Haftungshinweisen.
In unserer Gesundheitsdatenbank suchen
Inhaltsverzeichnis anzeigenWissenswertes aus den hausärztlichen Praxen

Wissen, wann genug ist
Über Suchterkrankungen sprechen die meisten Menschen nicht gern.
Zum Beitrag

Juckende Augen und triefende Nasen: Hilfe bei Heuschnupfen
Leichte Symptome lassen sich oft durch einfache Maßnahmen lindern.
Zum Beitrag

Sind das die Wechseljahre?
Warum die Wechseljahre auch in der hausärztlichen Praxis Thema sind
Zum Beitrag