Leberschäden durch Medikamente
Leberschäden durch Medikamente
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Was sind Leberschäden durch Medikamente?
Definition
Viele Medikamente können zu einem Leberschaden führen. Dazu gehören auch frei verkäufliche Medikamente, etwa Heilkräuter und Nahrungsergänzungsmittel. Die Leberschäden können akut oder erst nach einiger Zeit auftreten.
Die Erkrankung wird kurz DILI genannt (engl. Drug-induced Liver Injury). Die Folgen reichen von vollständiger Erholung bis zum tödlichen Verlauf.
Symptome
Die Symptome sind vielfältig. Sie lassen sich nicht unmittelbar von anderen Lebererkrankungen unterscheiden. Häufig treten nur wenige Symptome auf – oder gar keine. Zu den möglichen Symptomen zählen:
- Übelkeit
- Müdigkeit
- Schmerzen im rechten Oberbauch
- Gelbsucht (Ikterus) tritt in 5 % der Fälle auf.
- Fieber
- Hautausschlag
Ursachen
Viele Substanzen können die Leber schädigen. Derzeit sind mehr als 1.000 potenzielle Auslöser bekannt.
- Antibiotika sind die häufigste Ursache, darunter besonders folgende Wirkstoffe:
- Amoxicillin-Clavulansäure (bei verschiedenen Infektionen)
- Isoniazid (z. B. bei Tuberkulose)
- Nitrofurantoin (bei unkomplizierter Blasenentzündung)
- Trimetoprim/Sulfamethoxazol, auch bekannt als Cotrimoxazol (z. B. bei Infektionen der Harnwege)
- Minocyclin (z. B. bei Acne vulgaris)
- Andere synthetische Arzneimittel, darunter meist:
- Azathioprin (z. B. bei Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- Flutamid (z. B. bei Prostatakrebs)
- Infliximab (z. B. bei Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Rheuma)
- Diclofenac (bei Schmerzen und Entzündungen)
- Ibuprofen (z. B. bei Schmerzen und Fieber)
- Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmittel, darunter oft:
- Schöllkraut (z. B. bei Magen-Darm-Beschwerden)
- Pelargonium (z. B. bei akuter Bronchitis)
- Beinwell und andere Pyrrolizidinalkaloide (Beinwell wird äußerlich z. B. bei Prellungen angewendet)
- Kombinationspräparate der traditionellen chinesischen Medizin (TCM)
- Nahrungsergänzungsmittel zur Gewichtsabnahme
Es gibt drei Wege, über die Medikamente die Leber schädigen können:
- Einige Substanzen schädigen die Leber direkt. Paracetamol ist ein solches Medikament. Manche Medikamente baut der Körper auch zu toxischen, also giftigen Zwischenprodukten ab. Die toxische Wirkung steigt mit der Dosis und ist vorhersehbar. Sie tritt innerhalb von höchstens 5 Tagen ein.
- Selten kommt es zu einer allergischen Reaktion bzw. Überempfindlichkeit oder zu toxischen Stoffwechselprozessen. Dies kann z. B. bei Amoxicillin-Clavulansäure geschehen. Solche idiosynkratischen Leberschädigungen sind nicht dosisabhängig, sie sind schon bei normaler Dosierung möglich. Sie sind auch nicht vorhersehbar. Sie treten nach 1–5 Wochen auf. Wenn die Person der Substanz schon einmal ausgesetzt war, kann der Leberschaden auch rascher eintreten.
- Nur selten schaden Medikamente der Leber, indem sie das Immunsystem aktivieren. Zu den Auslösern gehören bestimmte Medikamente, die in der Krebstherapie verwendet werden (Checkpoint-Inhibitoren). Die Leberschädigung ist teilweise vorhersehbar. Sie ist aber nicht dosisabhängig. Der Schaden zeigt sich erst nach Monaten. Bei einer Leberschädigung durch Checkpoint-Inhibitoren kommt in bis zu 15 % der Fälle zu einer immunvermittelten Leberentzündung (Hepatitis).
Einige Faktoren erhöhen die Anfälligkeit für Leberschäden durch Medikamente:
- Höheres Alter (möglicherweise nur wegen der häufigeren Einnahme von Medikamenten)
- Weibliches Geschlecht: Bei Frauen führt DILI häufiger zum Leberversagen.
- Vorbestehende Lebererkrankung, z. B. nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD)
- Sonstige Vorerkrankungen wie Übergewicht, Diabetes mellitus
- Bestimmte Genveränderungen
Häufigkeit
DILI sind die häufigste Ursache für ein akutes Leberversagen. Das gilt besonders bei älteren Patient*innen. Bis zu ca. 20 % der Fälle entstehen durch pflanzliche Substanzen und Nahrungsergänzungsmittel.
DILI machen etwa 10 % aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen („Nebenwirkungen”) aus. Viele Fälle bleiben vermutlich unentdeckt.
Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
- Im Arztgespräch wird besprochen, welche Substanzen in der Vergangenheit eingenommen wurden. Auch länger zurückliegende Einnahmen sind wichtig, ebenso wie Substanzen, die nur zwischenzeitlich eingenommen wurden. Sie sollten Risikofaktoren für eine Hepatitis durch Viren besprochen werden – z. B. Auslandsreisen.
- Vorbestehende Erkrankungen von Leber und Gallengängen sollten besprochen werden.
- Bei der Untersuchung kann die Leber tastbar sein. Möglicherweise kommt es zu Schmerzen bei Druck auf den rechten Oberbauch.
- Blutentnahme: Bisher gibt es keine Definition für Laborwerte im Blut, die eindeutig auf die Diagnose DILI hinweisen. Allerdings können bestimmte Laborwerte sinnvoll sein, um andere Lebererkrankungen auszuschließen. In jedem Fall werden bei Verdacht auf DILI die sog. Leberwerte bestimmt. Dadurch kann festgestellt werden, ob eine Leberzellschädigung vorliegt.
- Zum Ausschluss anderer Lebererkrankungen wird eine Ultraschalluntersuchung gemacht.
- Ein wichtiges Indiz ist es, wenn der vermutete Auslöser abgesetzt wird und daraufhin die Leberwerte sinken.
- Patient*innen erhalten eine Überweisung an eine andere Facharztpraxis oder eine Einweisung in die Klinik, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die Leber stärker geschädigt ist. Die Anzeichen können sich aus den Beschwerden ergeben, aber auch aus dem Laborbefund einer Blutprobe.
Bei Spezialist*innen
- CT oder MRT sind im Einzelfall sinnvoll.
- Leberbiopsie: Im Einzelfall ist die Entnahme einer Gewebeprobe sinnvoll. Allerdings lässt sich aus der Biopsie nur bedingt auf eine DILI schließen.
- Genetische Untersuchung: Nur bei speziellen Fragestellungen ist dies eine sinnvolle Option.
Behandlung
Medikament absetzen
Entscheidend ist es, dass die auslösende Substanz abgesetzt wird. Dann sinken die Leberwerte meist innerhalb von Tagen bis Wochen. Weitere Maßnahmen sind meist nicht nötig.
Spezielle Therapie
In der Regel ist kein Medikament notwendig, um die Erkrankung zu behandeln. Im Einzelfall kann ein Medikament aber sinnvoll sein. Wenn der Leberschaden z. B. durch Paracetamol verursacht wurde, ist eine Behandlung mit dem Wirkstoff N-Acetyl-Cystein (NAC) möglich. Ein Schaden durch Leflonumid kann mit Cholestyramin behandelt werden. Bei Valproat wird Carnitin verwendet. Bei einem akuten Leberversagen kann eine Lebertransplantation notwendig werden. Dies kommt allerdings nur selten vor.
Autor
- Vincent Kranz, Cand. med., Hamburg
Quellen
Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Leberschäden, Medikamente. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
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