Blutungsneigung
Blutungsneigung
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Was ist eine Blutungsneigung?
Definition
Die Blutungsneigung wird in der Fachsprache auch als „hämorrhagische Diathese“ bezeichnet. Sie bezieht sich auf eine übermäßige Blutungsbereitschaft. Betroffene Menschen bluten schon nach geringer Verletzung häufiger und länger als gewohnt, oder es kommt völlig spontan zu Blutungen unter die Haut, in Gelenke und innere Organe. Nach Operationen, Entbindung, Verletzungen oder Zahneingriffen besteht ein erhöhtes Risiko für Nachblutungen. Bei Frauen können starke Menstruationsblutungen auftreten.
Ursache aller dieser Erscheinungen ist meistens eine gestörte Blutgerinnung, sodass ein Blutgefäßdefekt nicht schnell genug abgedichtet werden und die Blutung stoppen kann. Die Blutgerinnung ist ein komplizierter Vorgang. Er erfordert das Zusammenwirken von Blutzellen (Blutplättchen, Thrombozyten), zahlreichen Gerinnungsfaktoren im Plasma (Blutflüssigkeit) und den Blutgefäßen selbst. Bisweilen ist die Blutungsneigung aber auch erhöht, weil die Gefäßwände leichter verletzlich und durchlässiger sind als normal.
Ein vermehrtes Blutungsrisiko besteht außerdem als Nebenwirkung häufig verordneter gerinnungshemmender Medikamente (Antikoagulanzien), die zur Behandlung und Vorbeugung von Gefäßverschlüssen durch Blutgerinnsel (z. B. Thrombose) eingesetzt werden. Aber auch bei gesunden Personen können blaue Flecken (Hämatome), Zahnfleisch- oder Nasenbluten vorkommen.
Symptome
Die unterschiedlichen Blutungsformen und -lokalisationen können wichtige Hinweise auf die Ursache einer Blutungsneigung geben.
Typische Symptome beim petechialen Blutungstyp
- Meist bei Störungen der Blutplättchen oder Gefäßerkrankungen
- Es entstehen spontan oder bei geringfügigen Ursachen (wenn man sich beispielsweise leicht gestoßen hat) kleinfleckige Blutungen (sog. Purpura) aus den feinsten Blutgefäßen (Kapillaren) in Haut, Unterhaut oder Schleimhaut. Die einzelnen Blutungen können punktförmig sein (dann werden sie Petechien genannt), seltener auch streifenförmig, klein- oder großflächig.
Typische Symptome beim hämophilen Blutungstyp
- Meist bei Störungen der Gerinnungsfaktoren
- Typisch sind großflächige, relativ scharf begrenzte, spontane Einblutungen in Haut und Unterhaut, Einblutungen in Gelenke und die Muskulatur, aber auch großflächige Blutergüsse nach banalen Verletzungen.
- Nach einer Verletzung bluten die Betroffenen länger als sonst üblich.
Häufigkeit
- Arzneimittel sind die häufigste Ursache einer erworbenen Blutungsneigung.
- Angeborene Blutungsneigungen kommen ca. bei 1 von 200 Personen vor.
Was kann die Ursache sein?
Ursächliche Mechanismen
Für eine Blutungsneigung kommen viele unterschiedliche Ursachen infrage; sie werden in folgende Gruppen unterteilt:
- Blutgefäßerkrankung
- Erkrankung der Blutplättchen (Thrombozyten)
- Defekte im Blutgerinnungssystem
Häufige Ursachen
- Arzneimittelnebenwirkungen
- Arzneimittel, die dafür bekannt sind, häufig eine erhöhte Blutungsneigung hervorzurufen, sind Cumarine, Salicylate, bestimmte Schmerzmittel (NSAR), Kortison, Antibiotika, Antidepressiva, Heparinpräparate sowie verschiedene Thrombozytenhemmer.
- Altersbedingt erhöhte Durchlässigkeit der Blutgefäße
- Mit zunehmendem Alter werden die feinen „Haargefäße“ (Kapillaren) instabiler, wodurch vermehrt Blutbestandteile in das umgebende Gewebe austreten können.
- Vor allem an Unterarmen und Händen treten Blutergüsse (sog. Purpura) auf.
- Blutplättchenmangel (Thrombozytopenie)
- Häufige Ursachen sind Infektionen, eine vergrößerte Milz, übermäßiger Alkoholkonsum, Immunthrombozytopenie (ITP), rheumatologische Erkrankungen und Schwangerschaft.
- Auch bestimmte Medikamente können zu einem Blutplättchenmangel führen, z. B. Heparin, Cimetidin, Ibuprofen, Naproxen und Antibiotika.
- Ein Blutplättchenmangel kann im Zusammenhang mit einer Vielzahl seltenerer Erkrankungen in Erscheinung treten.
- Es kommt zu kleinen Hautblutungen (Petechien) oder Blutergüssen und Schleimhautblutungen.
- Funktionsstörung der Blutplättchen (Thrombozytopathie)
- Die Funktion der Blutplättchen ist gestört, ihre Anzahl kann aber normal sein.
- Medikamente sind die häufigste Ursache (s. o.).
- Eine Störung der Blutplättchenfunktion kann auch im Rahmen von Grunderkrankungen auftreten, z. B. chronische Nierenkrankheit, Lebererkrankungen, Leukämien und Infektionen.
- Willebrand-Syndrom
- Dies ist die häufigste angeborene Erkrankung mit erhöhter Blutungsneigung.
- Bei Frauen können starke Menstruationsblutungen in den Vordergrund treten, andere leiden häufig an Nasenbluten. Nach Operationen kann es zu verstärkten Nachblutungen kommen.
Seltene Ursachen
- Hämophilie (Bluterkrankheit)
- Bei der Bluterkrankheit handelt es sich um eine erblich bedingte Störung im körpereigenen Gerinnungssystem.
- Die Erkrankung betrifft vorwiegend Männer.
- Es liegt eine gravierende Blutungsneigung vor, die sich insbesondere in Form von Blutungen in Gelenken, Muskeln und nach leichten Verletzungen äußert.
- Eine Vielzahl anderer Erkrankungen kann zu Blutgerinnungsstörungen führen.
Wann sollten Sie ärztlichen Rat suchen?
- Bei erhöhter Blutungsneigung sollten Sie umgehend eine Arztpraxis aufsuchen.
Untersuchungen
- Um eine verstärkte Blutungsneigung festzustellen, werden Ihnen Fragen zu Blutergüssen, Zahnfleisch- oder Nasenbluten, Nachblutungen bei Operationen, eingenommenen Medikamenten und ggf. Menstruationsblutungen gestellt.
- Zudem wird eine sorgfältige körperliche Untersuchung durchgeführt.
- Ergänzend können verschiedene Blutuntersuchungen durchgeführt werden.
Überweisung an Spezialist*innen
- In akuten oder schwerwiegenden Fällen werden Sie in ein Krankenhaus eingewiesen.
- Bei anhaltenden Beschwerden kann die weitere Untersuchung ambulant in einer Facharztpraxis vorgenommen werden.
Autorin
- Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden
Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Blutungsneigung. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
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