Allergie, Hyposensibilisierung (spezifische Immuntherapie)

Allergie, Hyposensibilisierung (spezifische Immuntherapie)

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Was ist Hyposensibilisierung?

Die Hyposensibilisierung, auch Allergieimpfung oder (allergen-)spezifische Immuntherapie (AIT/SIT) genannt, dient der Behandlung von Allergien. Bei einer Allergie mit entsprechenden Symptomen besteht eine Überempfindlichkeit (Hypersensitivität) des körpereigenen Immunsystems gegenüber bestimmten Stoffen, mit denen der Körper beispielsweise über die Luft oder die Nahrung in Kontakt kommt. Diese Substanzen, die bei Personen ohne Allergie keine gesundheitlichen Probleme verursachen, bezeichnet man als Allergene. Dazu gehören z. B. bestimmte Gräser, Pollen bestimmter Bäume oder auch Insektengift (Wespenallergie).

Bei der Hyposensibilisierung werden über einen langen Zeitraum regelmäßig kleine Dosen des Allergens verabreicht und die Dosis langsam gesteigert. Ziel der Hyposensibilisierung ist es, die körpereigene Überreaktion des Immunsystems auf das Allergen zu reduzieren, indem man dieses schrittweise an das Allergen „gewöhnt“. Die Hyposensibilisierung ist die einzige ursächliche Behandlung einer Allergie. Die Therapie wird grundsätzlich ab einem Alter von 5 Jahren empfohlen. Im Einzelfall kann eine AIT auch bei jüngeren Patient*innen, insbesondere bei einer Insektengiftallergie, erfolgen.

Es gibt je nach Art der Verabreichung verschiedene Therapieformen:

  • Subkutane Immuntherapie (SCIT): Die Allergene werden mit steigender Dosis bei mehreren Terminen im Abstand von einigen Tagen oder 1–2 Wochen unter die Haut (subkutan) gespritzt. Die Therapie wird nach Erreichen der Enddosis (Erhaltungsdosis) in regelmäßigen Abständen fortgeführt.
  • Sublinguale Immuntherapie (SLIT): Die Allergene werden als Tropfen oder lösliche Tabletten unter die Zunge (sublingual) geträufelt bzw. gelegt und über die Mundschleimhaut aufgenommen. Im Unterschied zur SCIT werden die Allergene meist täglich über mindestens 3 Jahre verabreicht.

Wer kann von der Hyposensibilisierung profitieren?

Eine Hyposensibilisierung kann Personen helfen, die durch eine Allergie deutlich in ihrer Lebensqualität oder im Alltag beeinträchtigt sind. Sie kann dann zum Einsatz kommen, wenn keine ausreichende Symptomlinderung durch Meiden der auslösenden Allergene oder durch eine medikamentöse Behandlung erzielt werden kann.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass bei den betroffenen Personen eine Allergie in einem Haut- oder anderen Allergietest nachgewiesen werden kann (Hypersensitivität) und ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Kontakt mit dem Allergen und den Allergiesymptomen besteht. Eventuell kann dies auch in einem sog. Provokationstest bewiesen werden. Bei diesem erfolgt der Kontakt mit dem vermuteten Allergen unter kontrollierten Bedingungen. Treten daraufhin die typischen Beschwerden auf, ist eine Allergie gegen die Substanz naheliegend.

Typische Beschwerdebilder, die bei Patient*innen mit Baum- und Graspollenallergie auftreten, sind:

Auch bei einer allergischen Rhinitis oder Konjunktivitis bei Patient*innen mit Hunde-, Katzen- oder Hausstaubmilbenallergie kann die Hyposensibilisierung eine gute Behandlungsmöglichkeit sein. Eine weitere Indikation für die Hyposensibilisierung sind schwere oder lebensbedrohliche allergische Reaktionen auf Insektenstiche. Die Behandlung wird für Kinder und Erwachsene mit schweren Reaktionen, z. B. Atem- und Kreislaufproblemen, angeboten. Vor kurzem wurde zudem ein Verfahren zur oralen Immuntherapie bei einer Nahrungsmittelallergie auf Erdnüsse zugelassen.

Bei akuten Krebserkrankungen sowie schweren (Auto-)Immunerkrankungen sollte keine Hyposensibilisierung durchgeführt werden. Auch z. B. chronische Infektionen oder gastrointestinale Erkrankungen gelten als Ausschlussgrund. Eine Schwangerschaft gilt nur als Kontraindikation für den Beginn einer AIT. Die Fortsetzung einer AIT dagegen ist bei guter Verträglichkeit möglich bzw. z. B. bei einer lebensbedrohlichen Allergie durch Insektengift sogar ratsam.

Therapie-Allergene

Allergene, mit denen eine Hyposensibilisierung durchgeführt werden kann, werden Therapie-Allergene genannt. Die Liste der in Deutschland zugelassenen Präparate ändert sich fortlaufend, da die Hersteller neue Zulassungen erhalten oder alte Zulassungen auslaufen. Lassen Sie sich ärztlich über den aktuellen Stand informieren. Derzeit umfasst die Liste folgende Allergene (siehe Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts, Stand 2024):

  • Für die orale Immuntherapie:
    • Erdnüsse
  • Für die subkutane Immuntherapie:
    • Gräser-/Getreide-/Kräuterpollen
    • Baumpollen
    • Hausstaubmilben
    • Insektengifte
  • Für die sublinguale Immuntherapie:
    • Gräser-/Getreide-/Kräuterpollen
    • Baumpollen
    • Hausstaubmilben

Ablauf der Hyposensibilisierung

Die Hyposensibilisierung wird von Ärzt*innen durchgeführt, die Erfahrung mit dieser Therapieform haben. Nachdem geprüft wurde, ob die Voraussetzungen aufseiten der Patient*innen für diese Therapieform erfüllt sind und ggf. Allergietests vorgenommen wurden, werden sie zu den Verfahren und den möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt und haben die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Zunächst wird die Therapieform unter Absprache mit den behandelnden Ärzt*innen ausgewählt und je nachdem festgelegt, wie viele Dosen geplant sind und in welchen Abständen diese verabreicht werden. Anfangs werden regelmäßig geringe Dosen zugeführt, die mit der Zeit gesteigert werden, bis eine sog. Erhaltungsdosis erreicht ist. Je nach Therapieform erhöht sich dann der Abstand zur nächsten Allergengabe. Die Dauer der Immuntherapie kann unterschiedlich sein und sollte z. B. bei einer sublingualen Immuntherapie mindestens 3 Jahre betragen.

Bei der sublingualen Immuntherapie mit Tabletten oder Tropfen wird die erste Allergengabe ggf. durch ärztliches Personal überwacht. Sie kann anschließend selbstständig zu Hause durchgeführt werden. Bei akuten Entzündungen oder Verletzungen der Mund-/Rachenschleimhaut, akuter Lebensmittelvergiftung oder unkontrolliertem Asthma sollte die SLIT unterbrochen werden.

Bei der subkutanen Immuntherapie wird das Allergen unter die Haut gespritzt, meist oberhalb des Ellenbogens. Die Patient*innen müssen anschließend mindestens 30 Minuten in der Arztpraxis bleiben, um beobachten zu können, ob allergische Reaktionen auf die Therapie auftreten und ggf. behandelt werden müssen. Kurz vor und für den Rest des Tages nach der Injektion sollten körperliche Belastung, Saunabesuche und Alkoholkonsum vermieden werden.

Für beide Formen der Therapie ist es wichtig, dass die Patient*innen die Gabe des Allergens regelmäßig durchführen (lassen). Im Vorfeld jeder Behandlung werden Sie zu aktuellen allergischen oder anderen relevanten Symptomen sowie zu der Verträglichkeit der letzten Injektion, durchgemachten Erkrankungen oder Behandlungen, neuer oder veränderter Medikamenteneinnahme und Impfungen befragt. Sie sollten zudem neue Informationen wie Eintritt einer Schwangerschaft erwähnen.

Effekte

Es gibt eindeutige Nachweise, dass die Hyposensibilisierung ein wirksames Verfahren bei einer allergische Rhinitis darstellt. Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Immuntherapie bei einer allergischen Rhinitis das Risiko für eine spätere Entwicklung von Asthma bei Kindern reduzieren kann. Bei allergischem Asthma ist die Wirksamkeit einer Hyposensibilisierung bei Erwachsenen gut belegt, bei Kindern ist die Datenlage je nach genauer Ursache oft nur unzureichend.

Insektengiftallergien können in den meisten Fällen erfolgreich durch eine Hyposensibilisierung behandelt werden. Bei einem nächsten Bienen- oder Wespenstich kommt es dann nicht mehr zu Beschwerden. Bei einer Erdnussallergie konnte zwar bislang noch keine über die Therapiedauer hinausgehende Wirksamkeit gezeigt werden, jedoch kann die Toleranzschwelle erhöht und die Lebensqualität (teilweise) verbessert werden.

Hat die AIT nach 1, spätestens 2 Jahren keinen erkennbaren Erfolg, soll sie kritisch überprüft werden.

Nebenwirkungen

Sie werden vor der Behandlung durch Ihre behandelnden Ärzt*innen über die möglichen Nebenwirkungen der Therapie und darüber, wie Sie sie erkennen können, aufgeklärt. Ärzt*innen, die eine Hyposensibilisierung anbieten, müssen die möglichen Reaktionen in ihrer Praxis behandeln können. 

Bei der subkutanen Immuntherapie ist das Auftreten schwerer, potenziell lebensbedrohlicher Reaktionen wie eines anaphylaktischen Schocks zwar sehr selten, aber möglich. Aus diesem Grund erfolgt zunächst eine Beobachtung, da solche Reaktionen in einem kurzen Zeitraum von etwa 30 Minuten nach der Injektion auftreten können und so in der Praxis sofort behandelt werden können.

Die meisten unerwünschten Reaktionen sind leicht bis mittelschwer und lassen sich gut behandeln. Informieren Sie Ihre behandelnden Ärzt*innen unverzüglich, wenn Sie Auffälligkeiten wie Brennen und Jucken von Handflächen und Fußsohlen, Husten, Juckreiz (ggf. nur um die Anal- oder Genitalregion), Harn- und Stuhldrang, Niesattacken sowie Atemwegs- und/oder Kreislaufsymptome bemerken. Dies gilt auch über die Beobachtungszeit hinaus.

Die Verträglichkeit der sublingualen Immuntherapie ist gut. Es treten zwar häufig lokale Beschwerden im Mund- und Rachenraum auf, diese sind jedoch meist mild und gehen von selbst zurück. Schwere allergische Allgemeinreaktionen kommen deutlich seltener vor als bei der subkutanen Immuntherapie.

Bei Unsicherheiten bzw. Fragen bezüglich der Behandlung oder der Nebenwirkungen wenden Sie sich an Ihre behandelnden Ärzt*innen.

Autor

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

Quellen

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Allergenspezifische Immuntherapie (SIT). Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Mortasawi V, Pfützner W. Allergen-Immuntherapie: Facts und FAQs. Der Hautarzt 2021; 72: 760-9. link.springer.com
  2. Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Allergene, Therapie-Allergene. Stand 22.08.2024. Letzter Zugriff 11.09.2024. www.pei.de
  3. Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. S2k-Leitlinie Allergen-Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 061-004, Stand 2022. register.awmf.org
  4. Gröger M. Aktuelles zur allergenspezifischen Immuntherapie. HNO Nachrichten 2016; 46: 17-20. link.springer.com
  5. Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. S2k-Leitlinie Diagnose und Therapie der Bienen- und Wespengiftallergie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-020, Stand 2023. register.awmf.org
  6. Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. S2k-Leitlinie Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025, Stand 2021. register.awmf.org
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